BMWK-Vorschläge zum „Strommarktdesign“: Flexibilität statt Systembruch

Mitten in der parlamentarischen Sommerpause hat das BMWK das lang angekündigte Optionenpapier zum künftigen Strommarktdesign vorgelegt. Wir haben uns im Prozess aktiv eingebracht und mit einer eigenen Stellungnahme direkt bei der Politik als auch über unsere Verbände für die Belange des Mittelstands stark gemacht. Als Grundvoraussetzung für die Energiewende muss jetzt Flexibilität in allen Bereichen Vorrang haben. Zugleich setzen wir uns für eine behutsame Weiterentwicklung des Investitionsschutzes im EEG ein statt einem möglichen Bruch im Fördersystem.

Das rund 120 Seiten starke Optionenpapier nimmt sich verschiedenen Handlungsfeldern vom Förderrahmen bis hin zum Kapazitätsmarkt an und kommt teils zu überraschenden Ergebnissen. Bereits mit der Wachstumsinitiative der Bundesregierung wurde eine mögliche Umstellung der Förderung auf eine Kapazitätszahlung vorgesehen. Dass der Energy-Only Markt um einen Kapazitätsmechanismus ergänzt werden soll, ist seit längerem bekannt. Details hierzu waren bisher nur Eingeweihten vertraut. Konkreter wird es nun mit dem Optionenpapier.

Förderdesign zukunftsfest weiterentwickeln

Den Auftakt macht die Frage wie das zukünftige Förderregime weiterentwickelt werden kann. Im Zentrum steht dabei die Frage der Kosteneffizienz, der Systemdienlichkeit und der Marktintegration der Erneuerbaren. Analysiert werden vier verschiedene mögliche zukünftige Fördermodelle:

  • Option1: Eine gleitende Marktprämie mit Marktwertkorridor

  • Option 2: Zweiseitige Differenzverträge (CfDs)

  • Option 3: Produktionsunabhängige zweiseitige Differenzverträge

  • Option 4: Kapazitätszahlung mit produktionsunabhängigem Refinanzierungsbetrag bzw. sogenannte Financial CfDs

Was die unterschiedlichen Optionen vereint, ist die mit der EU-Strommarktreform rechtlich beschlossene Forderung nach einem Claw-Back, also einer teilweisen Rückzahlung bei hohen Strompreisen. Der Mechanismus soll im Ergebnis wie die Erlösabschöpfung wirken.

Option 1 stellt eine Weiterentwicklung der bisherigen Förderung dar, ergänzt um einen Puffer. Der Anlagenbetreiber erhält weiterhin eine gesicherte Vergütung, wenn der Marktpreis unter einem festgelegten Mindestwert (Floor) liegt, und muss Erlöse an den Staat zurückzahlen, wenn der Marktpreis über einem bestimmten Höchstwert (Cap) liegt. Innerhalb dieses Marktwertkorridors gibt es keine Zahlungen zwischen Staat und Betreiber und der Anlagenbetreiber kann zusätzliche Erlöse am Strommarkt erzielen. Bei einem klassischen, zweiseitigen Differenzvertrag wie in Option 2 hingegen wird auf einen Puffer verzichtet und direkt bei einem fixen Cap abgeschöpft. Während die ersten beiden Optionen im Wesentlichen an der bisherigen Fördersystematik anknüpfen, verfolgen die zwei weiteren Optionen einen neuen Ansatz.

Zum einen produktionsunabhängige zweiseitige Differenzverträge in Option 3: Wie bei der produktionsabhängigen Variante erhalten Anlagenbetreiber eine variable Zahlung, die vom anzulegenden Wert und dem durchschnittlichen Marktwert der Referenzperiode abhängt, jedoch nicht für die tatsächlich eingespeiste Kilowattstunde (KWh) sondern für KWh, die theoretisch hätten eingespeist werden können. Dafür wird das theoretische Einspeisepotential für jede Anlage berechnet, auf Basis von Wetter, Topografie und Technologiespezifika. Erlöse über einem ermittelten Referenzpreis müssten zurückgeführt werden.

Eine Anpassung dieses Modells stellen sogenannte Financial CfDs in Option 4 dar. Hier erhalten Anlagenbetreiber eine feste Vergütung für die installierte Leistung, die unabhängig ist von der eigentlichen Produktion der Erneuerbaren Energien-Anlage. Diese soll als investive Unterstützung dienen. Im Gegenzug zahlen die Betreiber die Erlöse einer Referenzanlage an den Staat. Weiterhin wird der erzeugte Strom der eigentlichen EE-Anlagen an der Strombörse vermarktet. Während das BMWK beiden Modellen etwas abgewinnen kann, favorisiert es vor allem Financial CfDs. Als positiv bewertet es, dass das Finanzierungsmodell Investitionssicherheit gewährt und eine systemdienliche Anlagenbau- und Fahrweise anreizt. Auch das Mengenrisiko würde theoretisch durch das Modell adressiert.

Künftiger Investitionsschutz für Erneuerbare - ARGE NETZ Bewertung

Obwohl das vorgesehene Finanzierungsmodell der Financial CfD diskussionswürdige Vorteile benennt, überwiegen aus unserer Sicht – in der aktuellen Fassung - die sehr deutlichen Risiken, insbesondere für den Mittelstand. Nicht nur würde die Umstellung auf Financial CfDs einem Bruch mit dem bisherigen Fördersystem gleichkommen und zunächst für Investitionsunsicherheit sorgen. Auch ist bisher vollkommen unklar, wie das Produktionspotenzial bemessen werden soll. Hierzu stellt das BMWK sehr theoretische und komplexe Überlegungen an. Zudem bleibt es bei zentralen Varianten für die Wirtschaftlichkeit völlig unkonkret. Auch das erwünschte Ziel einer Begrenzung der Förderkosten würde mit Sicherheit durch das Modell nicht erreicht. Deshalb lehnen wir Financial CfDs ab und plädieren in Zusammenarbeit mit der Energiebranche dafür, in einen Beratungsprozess einzusteigen.

Vielversprechender sehen wir hingegen Option 1, die gleitende Marktprämie mit einem Marktwertkorridor. Durch einen ausreichenden Puffer und die Umstellung auf einen Monats- oder Jahresmarktwert wird die Marktintegration der Erneuerbaren gefördert. Um das Mengenrisiko zu adressieren, wäre zudem eine Umstellung von der zeit- auf eine mengenbasierte Förderung ohne weiteres möglich. Weiterhin sehen wir einen Vorteil darin, dass das Modell unter Marktakteuren bekannt ist und bürokratisch leicht umsetzbar wäre.

Wichtig ist es, den Puffer mit einer Gleitgleitklausel und einem möglichen Inflationsausgleich zu versehen, Zugleich muss es mindestens eine einmalige Wechselmöglichkeit aus dem geförderten System zum PPA-System geben. Diese Weiterentwicklung des aktuellen Systems würde aus unserer Sicht helfen, den Hochlauf der Erneuerbaren zu versteigen.

Abbildung 1: Gleitende Marktprämie mit Marktwertkorridor

Quelle: BMWK, 2024, Strommarktdesign der Zukunft

Dezentrale Speicherlösungen statt fossiler Steifheit

Neben der Ausgestaltung des zukünftigen Förderregimes widmet sich das BMWK in weiteren Kapiteln den Themen steuerbare Leistung, lokale Signale und Flexibilität. Wie bereits mit der Kraftwerkstrategie angekündigt, plant das BMWK den Energy-Only Markt um einen Kapazitätsmechanismus zu ergänzen. Derzeit wird dabei ein kombinierter Kapazitätsmarkt, bestehend aus einer zentralen und einer dezentralen Komponente, favorisiert. In der zentralen Komponente sollen durch Ausschreibungen steuerbare Kraftwerke mit langen Refinanzierungszeiträumen angereizt werden. Über die dezentrale Komponente sollen hingegen Versorger ihre Stromlieferung bei Spitzenlastenzeiten mit Kapazitätszertifikaten abdecken. Vor allem Letzteres könnte dazu dienen, die für die Erneuerbare Erzeugung so wichtigen, flexible Lasten anzureizen. Kapazitätsmechanismen unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung sollten nicht zu einer Verstetigung von fossilen Kraftwerken führen, sondern konsequent auf Erneuerbare  und hochflexible Speicherlösungen setzen. Wir sehen nicht, dass ein kombinierter Kapazitätsmarkt diesen Spagat leisten kann. Für die Erneuerbaren Energien überwiegen die Nachteile der zentralen Komponente, namentlich fossile Login-Effekte und Überkapazitäten.

Flexibilitätsagenda vorrangig umsetzen

Beim Thema Flexibilität geht das BMWk auf zentrale Forderungen von ARGE NETZ zur Flexibilisierung des Stromsystems ein. So spricht es sich unter anderem für die Einführung von dynamischen Tarifen sowie eine regionale und zeitliche Dynamsierung der Netzentgelte aus. Das sind aus unserer Sicht, entscheidende und längst überfällige Schritte, um Nachfrageflexibilität in der Breite anzureizen.

Grundvoraussetzung, damit diese Maßnahmen Ihre Wirkung erzielen, ist ein beschleunigter Smart Meter Rollout sowie eine Digitalisierung der Verteilnetze. Weiterhin sehen wir es als drignend notwendig an, dass Hemmnisse für Speicher und Elektrolysen angegangen werden. So wird noch immer die Ansiedlung von netzdienlichen Batteriespeichern mit Baukostenzuschüssen bestraft. Auch ist es unklar, ob die Netzentgeltbefreiung für Stromspeicher und Elektrolyseure fortbestehen wird. Für äußerst begrüßenswert halten wir, dass sich das BMWK gegen eine Aufteilung der Strompreiszone ausspricht und stattdessen auf zeitlich und örtlich variable Netzentgelte setzt. Somit folgt das BMWK auch Empfehlungen der ARGE NETZ, die sich früh gegen eine Strompreiszonenteilung ausgesprochen hatte und auf weniger invasive Mittel gesetzt hat. Neben einer Flexibilisierung und Wälzung der Verteilnetzentgelte, sollte es auch Ziel sein, die Regelung zu „Nutzen statt Abregeln (§13)“ praxisorientiert auszugestalten.

 

Für Rückfragen stehen wir Euch gerne zur Verfügung.

Björn Spiegel | Leiter Strategie und Politik | +49 160 - 236 96 07 | spiegel@arge-netz.de

Hauke Broecker | Senior Referent Energiesystem und neue Märkte| +49 0176 - 85975347| broecker@arge-netz.de

Ron Schumann | Senior Referent Politik| +49 176 - 47163115| schumann@arge-netz.de

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